Baden-Württemberg
Michael Aust und Michael SchwinningEigenproduktion
in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Weingarten
Spohn-Gymnasium Ravensburg
Theater AG
Spielleitung: Oliver Villa, Alexa Becker
Freie Spielstätte, 60 Min.
Die Aufführung findet in der Freien Spielstätte statt, einem mittelgroßen hohen Saal mit schwarz abgehängter Bühnenfläche vorne und einer Zuschauertribüne. Durch Seitenvorhänge sind verdeckte Auftritte möglich. Dies nutzt die Gruppe, um je nach Szene die Möglichkeit zu haben, mit größerer oder kleinerer Personenzahl die Spielfläche zu bespielen. Im Hintergrund sind weiße Kartons zu zwei Säulen aufgestapelt. Zu Beginn liegt mitten auf der Spielfläche eine Spielerin allein in Embryohaltung im Spot. Sie bewegt sich langsam zu Teardrop von Massiv Attack, deren Musikvideo so reinactet wird, denn die Szene erscheint von oben aufgenommen in einer Projektion an der Rückwand. Es entsteht der Eindurck embryonalen Schwebens. Ein eindrucksvolles Vorspiel, um in die Situation der Eltern einzuführen, die sich in einer anschließenden Dialogszene alles Mögliche für das Kind erträumen, bevor die nächste Schwangerschaftsdepression die junge Frau erfasst.
Schnell bricht die Stimmung, denn Spieler*innen im schwarzen Dress und mit gelbem Bauhelm tragen weiße Quader in Rechteckgängen durch den Raum, setzen sich, eilen weiter und zitieren dabei Schlagzeilen aus den Wirtschaftsseiten von Zeitungen, in denen es vor allem um Profit und Gewinnmaximierung durch Wohnungsbau und Wohnungsvermietung geht.
Dass man Wohnräume als Zuhause, aber auch als Gefängnis begreifen kann, wird in der nächsten Szene sichtbar, wenn vorne offene, etwa hüfthohe Holzkästen, die hochkant auf Rollen stehen, herumgeschoben werden, während darin jeweils ein Spieler kauert und entsprechende, auch absurde Texte rezitiert.
Diese Kästen sind dann Entscheidungsräume, wenn Engel und Teufel über die Bedeutung und die Situation des darin sitzenden Menschen verhandeln. Werden mehrere von den Holzteilen nebeneinander aufgereiht, entsteht der Eindruck eines Wohnblocks, in dem die einen unten hocken, die anderen im Bauhelm dahinter sich darüber lehnen und wieder Werte und Verluste im Wohnungsgeschäft verhandeln. Eher lebensfremd zitieren die in den Wohnungen lyrisch anmutende Texte.
Und dann kommen im Spiel noch Chatrooms zur Sprache. Zwei Spieler sitzen Rücken an Rücken und tippen in der Luft, während sie ihre Texte rezitieren. Gestisch zwischen vier den Raum begrenzenden Quadern agierend, verhandeln zwei Spielerinnen wie in einem Aufzug die Tatsache, dass durch die Preissteigerungen sich der Wohnraum praktisch dauernd verknappt. Zunehmender Platzmangel wird auch choreographisch gestaltet, indem eine Gruppe von Spieler*innen einen anderen Akteur von allen Seiten bedrängen. Körper deuten durch eine gereihte Quaderformation ein Büro an, in dem gerade eine Zeitungsanzeige getippt wird. Eine einfache Reihe von Körpern kann aber auch mal schnell die Wand zur Nebenwohnung sein. Nicht zuletzt lassen sich Wohnungen nach Inserat-Texten in Standbildern andeuten.
Im zweiten Teil des Stückes, wenn es mehr um die Wohnungssuche und das drohende Scheitern der Paarbeziehung geht, kommen die aufgestapelten Kartons zum Einsatz. Nebeneinander aufgestellt wie drei Seiten eines nach vorne geöffneten Trapezes können dort Menschen schlafen, deuten also ein Schlafzimmer an, oder es entsteht durch Zusammenschieben ein Klassenzimmer oder eine Art von Hinterwand einer Showbühne. Im Aufbau als hohe Wand begrenzen sie die Abschlussszene und sind wieder Projektionsfläche. Die Eltern finden offenbar doch zueinander, wie ein langsames Pas de Deux, bei dem das Paar am Boden liegt, in der Videoprojektion andeutet.
In der Vielfalt der Möglichkeiten, mit einfachen Mitteln Räume auf der Bühne anzudeuten und zu bespielen, boten die Baden-Württemberger einen Beitrag, der das Festivalthema bereicherte. Die große Gruppe setzte die textlastige Produktion über die für sie wohl eher fremdartige Thematik aber ohne erkennbare Distanz zum Inhalt souverän und konzentriert auf die Spielfläche.