Saarland

FreiRäume

Eigenproduktion

Gymnasium Ottweiler

Grundkurs Darstellendes Spiel

Spielleitung: Dagmar Wiltz

LATINA, 35 Min.

Leben: Gefangenschaften

Bei Einlass nimmt das Publikum eine leere Bühnenfläche wahr, die allerdings von zwei Mitgliedern der Gruppe „bewacht" zu werden scheint, die seitlich im Freeze verharren. Die Spielhandlung von „FreiRäume" beginnt mit einem Flüsterchor aus dem Saal um den Begriff „Freiheit", der vielstimmig erklingt, dann – lauter werdend – von Ensemblemitgliedern lexikalisch definiert wird. Von diesem Ausgangspunkt entwickelt die Gruppe eine schnell wechselnde Szenenfolge nach unterschiedlichen Paradigmen theatraler Umsetzung zum Begriff der Freiheit. Kleine performative Elemente wie das behauptete Bemalen von Sitzwürfeln oder das Schreiben auf einer Tafel werden unmittelbar verknüpft mit tänzerischen und musikalischen Elementen wie beispielweise einer Fassung von „Die Gedanken sind frei" in Punkmanier. All das wird unter Ausnutzung der gesamten Bühnenfläche inszeniert, die allerdings in der Regel lediglich das Podium zum Publikum bildet.

Außer einer großen Tafelfläche im Hintergrund, die später auch als Leinwand dient, und den bereits erwähnten Würfeln gibt es lediglich noch zwei – zweimal kurz zum Einsatz kommende – Stühle im Raumkonzept der Bühne. Das übergreifende Inszenierungskonzept liegt in einer durchlaufenden Farbchiffre, die nicht leicht zu erfassen ist. Die beiden oben erwähnten Ensemblemitglieder in weißen Shirts sind duchlaufend auf der Bühne und hocken meist hinter zwei weißen Würfeln im Bühnenhintergrund. Einzelne Aktionen wie das Beschreiben der Tafeln gehören zu ihrer Rolle. Stehen die beiden für Freiheit? Alle anderen Figuren sind schwarz gekleidet und treten als Gruppe auf. Auch die von ihnen getragenen Würfel sind schwarz, wenn auch nicht alle. Sind sie eine Repräsentation der Behinderungen von Freiheit? Vor allem eine Szene legt eine solche Deutung nahe, in der der Freiheitsbegriff in Bezug auf den Gegenbegriff Gefangenschaft thematisiert wird. Hier greift die Gruppe auf einen Ausschnitt aus Rilkes „Der Panther" zurück. Die schwarzen Spieler stehen hinter den schwarzen Würfeln, wie eine Mauer am Bühnenrand aufgereiht als Gitterstäbe und sprechen im Chor den Anfang des Rilke-Gedichts. Die weißen Spieler erscheinen kurz aus dem Hintergrund und sprechen die Perspektive des Panthers. Der Moment ist allerdings kurz. Die Mauer hingegen wird später noch einmal in dieser Bedeutung bespielt. Das weiße Paar sucht durch die Mauer zu brechen, wird dabei von der Gruppe gestellt und scheinbar verhaftet. Die im Prinzip tragfähige Inszenierungsidee bleibt allerdings zu wenig fokussiert, was eventuell der Höhe der Bühne geschuldet sein könnte, die die weißen Spieler zu sehr im Hintergrund hält.

Anders als in den beschriebenen abstrakten Szenen verläuft die Inszenierung von quasi-realistischen Familienszenen, in denen aus den auf der Bühne vorhandenen Elementen Innenräume unterschiedlicher Häuser markiert werden. Praktisch entsteht dabei aber nur eine Abgrenzung der Spielfläche mit imaginierten Möbeln, Türen etc. – Die Spielhandlung versucht die bisher abstrakt verhandelten Begriffe in einem alltäglichen Handlungsumfeld zu illustrieren. Leider bedient sich die dazu gewählte Fabel um aus dem Ruder laufende Halbwüchsige, deren konfliktbeladenen Eltern und dazu einen langjährigen Generationenkonflikt von Eltern und Großeltern, oberflächlich angerissener Klischees und erfüllt kaum den intendierten Anspruch auf das Kernthema. Hier zeigt sich, dass das Bemühen, innerhalb einer Inszenierung den Bogen von performativen Elementen, in denen die Bühne im Grunde nur Aktionsfläche ist, über Verbildlichung lyrischer Impressionen in Form von Tableaus hin zu realistischem (Rollen)Spiel in weitestgehend imaginierten Bühnenbildern immer zulasten des Letzteren geht. Eine Spannung zwischen den Figuren kann sich kaum entwickeln, die Szenen bleiben eher komödiantisch.

Die Gruppe bezieht letztlich auch das Thema „Tod" in den Katalog der Freiheitsabgrenzungen ein. In einer Videoeinspielung spricht ausufernd ein Mann über das Thema „Freitod". Die Gruppe thematisiert in der Folge ihre eigene Unsicherheit, an diesem Punkt szenisch weiter zu arbeiten und beendet das Stück mit einem abstrakten, nicht ganz eindeutigen Tableau, in dem die meisten schwarz gekleidete Figuren von den beiden weißen Spieler*innen zu harmonisierender Klavieruntermalung (Yirumas oft verwendetes „River flows in you") umgeworfen werden.

„Mit manchen Gefangenschaften muss man leben" ist der letzte gesprochene Satz der weißen Figuren und damit das letztlich doch nachvollziehbare Fazit dieser theatralen Freiheitsforschung.


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