Workshopbericht:
Bühnenbild –
Ein Zusammenspiel von
Bildender Kunst und Theater
Nick DoormannEs dominieren zwei Möglichkeiten des Umgangs mit dem Bühnenbild im Schultheater. Der „Black Cube“ und das „illustrative Bühnenbild“.
Der „Black Cube“ als schwarzes Äquivalent zum „White Cube“ in der Bildenden Kunst ist ein Bühnenraum mit schwarzen Wänden, Decke und Boden. Er ist der Versuch, der Wirkung der Spieler*innen einen klaren und reduzierten Rahmen zu geben und das Spiel dadurch in seiner Wirkung möglichst wenig zu beeinflussen. Ein komplett schwarzer und leerer Raum strahlt durch diese Reduktion Professionalität aus. Ein solcher Raum ist keine Sporthalle, kein Klassenzimmer – ein solcher Raum ist nur für Theater.
Oft ist der Aufführungsort allerdings die Aula oder eine Halle, die ästhetisch durch ihre Mehrfachnutzung geprägt ist. Die farbigen Bodenmarkierungen, Fenster, Treppen oder Wandstrukturen werden dann durch schwarze Bodenbeläge oder Stellwände notdürftig kaschiert. Dies wirkt dann leider wenig neutral oder professionell.
Das „illustrative Bühnenbild“ hingegen ist der Versuch, den Ort der Handlung durch das Bühnenbild nachzustellen. Ein Bushaltestellen-Schild aus Pappe, eine gemalte Burgmauer auf Leinen oder etwa eine Alpenlandschaft aus Sperrholz wirken allerdings selten realistisch. Der Ort der Handlung wird durch das Bühnenbild illustriert, ohne aber wie der Ort zu wirken. Das Bühnenbild gibt so Informationen auf der Inhaltsebene, die ästhetische Wirkung von Form, Farbe oder des Materials ist eher nebensächlich.
Mischt man nun beide Möglichkeiten, hat man etwa eine Bushaltestelle aus Pappe in einer Mehrzweckhalle mit bunten Basketball-Markierungen auf dem Boden als Bühne. Ein bisschen böswillig, aber durchaus realistisch.
Im Bereich Bühnenbild stecken die Spielleiter*innen und Gruppen also oft in einem Dilemma: Macht man kein Bühnenbild und lässt den Raum wirken, so wie dieser ist, oder bastelt man erklärende illustrative Szenerien aus Pappe. Beide Möglichkeiten scheinen nicht immer angemessen und entsprechen nicht dem Stellenwert und den Möglichkeiten eines Bühnenbildes im zeitgenössischen Theater.
In unserem Workshop thematisierten wir eine andere Möglichkeit der Erarbeitung von Bühnenbildern in der Schule. Das Bühnenbild wird dabei als eine eigene künstlerische Arbeit begriffen, die gleichzeitig das Spiel der Spieler*innen und die formalen und inhaltlichen Ebenen der gesamten Produktion unterstützt. Dabei schafft das Bühnenbild eine Atmosphäre, die die Wirkung des Stückes im Sinne einer Paraphrasierung, Kontrapunktierung oder Polarisierung aufgreift. Eine Illustration des Ortes der Spielhandlungen wird hingegen bewusst vernachlässigt. Ebenso wichtig ist in diesem Zusammenhang, durch das Bühnenbild Spielanlässe für die Spieler*innen zu gestalten und nicht eine reine Dekoration des Raumes zu entwickeln. Im besten Fall kann das Bühnenbild durch diese Bearbeitung der Atmosphäre und der Schaffung von Spielanlässen mit den verschiedenen Aspekten der Produktion zu einer gesamten künstlerischen Arbeit verschmelzen.
Der zentrale Aspekt für die Entwicklung eines Bühnenbildes ist also die direkte Wirkung von Material und Form. Der Fokus liegt weder darauf, einen neutralen Rahmen für die handelnden Spieler*innen zu schaffen noch realistische Szenerien nachzubilden oder zu illustrieren. Ausgangspunkt ist dafür zunächst die Auseinandersetzung mit der Wirkung unterschiedlicher Materialien in grundlegenden Übungen zur Materialerkundung. Hierzu half den Teilnehmer*innen des Workshops eine Liste mit ausgewählten Gegensatzpaaren wie „warm/kalt“ oder „stumpf/scharf“ (siehe Download).
Und sie nutzten Materialien wie Folie, Pappe, Schaumstoff, Klebeband und Schnüre, die an fünf Tischen getrennt zur Verfügung gestellt waren. In kleinen Gruppen wurden dann jeweils zwei dieser gegensätzlichen Attribute mit jeweils einem Material plastisch umgesetzt. Wichtig ist dabei, dass ausschließlich ein Material benutzt wird, so dass die Wirkung dieses einen Materials mit im Fokus der Gesamtwirkung stehen kann. Die Übung besteht hier darin, dass die Wirkung überwiegend über die Form, die Farbe und Beschaffenheit des Materials hergestellt wird und kaum über die Nachbildung realistischer Motive. Die aus diesem Prozess gewonnenen Erkenntnisse wurden dann auf die praktische Entwicklung von Bühnenbild-Modellen angewendet. Die Entwicklung der Modelle basierte dabei auf konkreten Projekten der Teilnehmer*innen und wurde für die konkrete Umsetzung auf tatsächlich existierenden Bühnen erstellt. Materielle Grundlage für die Modelle sind Pappkarton-Deckel im Format DIN A4, aus denen die jeweiligen Bühnenformen nachgebildet werden können. Eine Arenabühne hat dabei natürlich deutlich andere Grundvoraussetzungen als eine Guckkastenbühne. Ein Überblick über die grundlegenden Formen von Theaterbühnen hilft schon in dieser Phase der Entwicklung von Modellen, die Erfordernisse der konkreten Raumverhältnisse zu berücksichtigen. Insbesondere die Position des Publikums und die daraus hervorgehenden möglichen Blickrichtungen sind von entscheidender Bedeutung (siehe Download „Bühnenformen").
Die Entwicklung der Bühnenbildmodelle wird diesen Voraussetzungen gemäß angepasst. Grundlegende Ansätze für diese Entwicklung sind wieder die Liste mit Gegensatzpaaren und der Fokus auf die Wirkung von isoliertem Material. Zu Beginn stand die Entscheidung der Workshopteilnehmer*innen, welches Gegensatzpaar für das eigene konkrete Projekt von besonderer Bedeutung sein könne. Und noch konkreter, welche Seite des Gegensatzpaares eine grundlegende und zentrale Wirkung des Projektes aufgreifen würde. Dieser Begriff wurde nun zu dem Ausgangspunkt für eine Materialarbeit, die nicht mehr als Skulptur gedacht werden sollte. Nun mussten auch die Beschaffenheit des Raumes und die Handlungsräume der Spieler*innen berücksichtigen werden. Es handelt sich dabei also eher um eine Installation. Wichtig ist dabei abermals die Reduzierung auf ein Material oder zumindest die Betonung eines vorherrschenden Materials.
In einem letzten Schritt steht die Prüfung der Machbarkeit des erstellten Modells im System Schule. Von entscheidender Bedeutung sind hierbei ein möglichst geringer Eingriff in die Raumstrukturen, eine realistische Einschätzung des Arbeitsaufwandes und eine geringe finanzieller Belastung bei der Beschaffung der Materialien. Die Übertragung des Modells auf die konkrete Bühne wird in dieser Phase also bereits mitgedacht und umgesetzt. Bereits bei der Auswahl der Materialien für die Übungen und die Entwicklung der Modelle sollte die Anbindung an die Machbarkeit in der Schule also berücksichtigt werden. So sind z.B. Folien oder Schaumstoff-Reste in großen Mengen günstig zu beschaffen oder sogar als Reste kostenlos zu erwerben.
Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang allerdings die Sicherheit auf der Bühne. Eine diesbezügliche Prüfung sollte von den schulinternen Sicherheitsbeauftragten oder externen Veranstaltungstechniker*innen vorgenommen werden, um das Risiko von Unfällen zu minimieren und eine Haftung der verantwortlichen Lehrer*innen im Schadensfall auszuschließen.